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Neue EU-Kommunalabwasserrichtlinie

Autor: Andreas Zöscher, 17.04.2024

Liebe Mitglieder der Gemeinschaft Steirischer Abwasserentsorger,

Das Europäische Parlament hat vor kurzem der neuen Kommunalabwasserrichtlinie zugestimmt. Die daraus resultierenden neuen Rechtsvorschriften müssen in weiterer Folge nach Inkrafttreten in nationales Recht umgesetzt werden. Die wichtigsten Inhalte dazu finden sich in den nachstehenden Kompaktinfos des VÖWG.

Beste Grüße
Andreas Zöscher

Am 29.Jänner 2024 einigten sich die Trilogpartner:Innen der Europäischen Union auf neue Vorschriften für die Sammlung, Behandlung und Ableitung von kommunalem Abwasser zum besseren Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit. Während der Rat die vorläufige Einigung noch formell annehmen muss, hat das Parlament dieser Ende letzter Woche zugestimmt. Die daraus resultierende Rechtsvorschrift ist eine der wichtigsten Initiativen im Rahmen des EU „Zero pollution action plan“ zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung in den Bereichen Luft, Wasser und Boden. Diese lang überfällige Überarbeitung stellt einen Meilenstein in der Branche dar und bringt sowohl Hürden als auch lang erwartete Reformen, wie die erweiterte Herstellerverantwortung.

 

Hersteller können sich nicht mehr aus der Verantwortung ziehen

Die Einführung des Verursacherprinzips leitet einen wichtigen Schritt in die Zukunft der kommunalen Abwasserentsorgung ein. So müssen Pharma- und Kosmetikindustrie künftig 80% der Reinigungskosten für durch deren Produkte eingebrachte Mikroschadstoffe tragen. Um Engpässe zu vermeiden und weiterhin leistbare Medizinprodukte zu garantieren, wird die erweiterte Herstellerverantwortung zu 20% von nationalen Geldern unterstützt. Das Prinzip ist ein wesentlicher Faktor um eine quartiäre Behandlung zur Entfernung eingetragener Schadstoffe sicherzustellen, ohne die Kosten auf die Abwasserkund:Innen übertragen zu müssen. Ein positiver Zusatz ist, dass die erweiterte Herstellerverantwortung unabhängig davon gelten soll, ob die in Verkehr gebrachten Produkte oder einzelne Bestandteile in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland hergestellt wurden, sich der Sitz der Hersteller in der Europäischen Union befindet oder ob das Produkt über eine digitale Plattform in Verkehr gebracht wurde.

 

Die neuen Grenzwerte der Abwasserreinigungsstufen

Während die Implementierung der zweiten Reinigungsstufe bis 2035 obligatorisch für Gemeinden über 1.000 Einwohnerwerte (EW) ist, gilt die Umsetzung der dritten Reinigungsstufe für Gemeinden größer 150 000 EW bis 2039 sowie für Gemeinden von 10 000 EW bis 150 000 EW bis 2045. Zusätzlich werden neue Schwellenwerte für den Mindestprozentsatz der Verringerung von Phosphor und Stickstoff gegenüber der Gesamtbelastung und damit einhergehende Maximalkonzentrationen eingeführt.

Während die Veröffentlichung der Stickstoffgrenzwerte derzeit noch ausständig ist, wird ein hoher Anstieg der Phosphorgrenzwerte große Auswirkungen auf kommunale Kläranlagenhaben. Anlagen mit EW-Werten von 10 000 bis 150 000 müssen die Phosphorbelastung um 87.5% verringern, bei einer Maximalkonzentration von 0.7 mg/L. Bei Anlagen mit EW-Wertenüber 150 0000 einigte man sich bei   einem Mindestprozentsatz von 90%, mit einer Maximalkonzentration von 0.5 mg/L. Darüber hinaus ist die Implementierung der vierten Reinigungsstufe für Anlagen mit einer Auslastung über 10 000 EW bis 2045 verpflichtend.

 

Energieneutralität der Kläranlagen bewältigbar?

Die ersten Energieaudits sollen für Kläranlagen mit einer Auslastung größer 100 000 EW bis 2028 und für Kläranlagen mit einer Auslastung zwischen 10 000 EW und 100 000 EW bis 2032 durchgeführt werden. Dabei müssen Anlagen müssen folgende Energieneutralitätsgrenzwerte erfüllen: 20% bis 2030, 40% bis 2035, 70% bis 2040, 100% bis 2045. Diese Werte stellen vor allem im Hinblick auf die verpflichtende Errichtung einer vierten Reinigungsstufe eine Herausforderung dar. Es erweist sich jedoch als positiv, dass der Zukauf von 35% nicht-fossiler Energie aus dem Netz zulässig sein wird, sofern bestimmte Kriterien, wie die Einhaltung der Fristen der Energieaudits, erfüllt werden.

 

Integrierte Pläne für die kommunale Abwasserbewirtschaftung

Diese Neuerung sieht vor, dass bis 2033 alle Mitgliedstaaten sicherstellen, dass ein integrierter Plan für die Bewirtschaftung von kommunalem Abwasser für Gemeinden mit 100 000 EW und mehr erstellt wird. Sechs Monate nach der Anpassung der Bewirtschaftungspläne für Flusseinzugsgebiete soll dies auch für Gemeinden zwischen 10 000 und 100 000 EW geschehen, solange eine oder mehrere der genannten Bedingungen unter Berücksichtigung historischer Daten und modernster Klimaprojektionen, einschließlich saisonaler Schwankungen, eintritt. Eine dieser Bedingungen besagt, dass der Regenwasserüberlauf einen Anteil von mehr als 2 % der jährlichen gesammelten kommunalen Abwasserfracht (berechnet bei trockenem Wetter) überschreiten darf. Die erstellten Listen müssen dabei alle 6 Jahreüberprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden.

 

Kanalisation

Das europäische Parlament sieht vor, dass mit Inkrafttreten der Richtlinie alle Gemeinden über 2000 EW mit einem Kanalisationssystem ausgestattet und alle häuslichen Abwässer an diesem Kanalisationssystem angeschlossen sein müssen. Bei Gemeinden mit EW-Werten zwischen 1000 und 2000 wird dies bis 2035 verpflichtend sein.

 

Risikobewertung und Risikomanagement 

Dieser Gesetzestext verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die Risiken, die durch städtische Abwasserabflüsse für Umwelt und Gesundheit entstehen, zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um diese Risiken zu bewältigen. Nach Identifizierung von Risiken müssen Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, darunter Präventivmaßnahmen, Sammelsysteme, Abwasserbehandlungen (Sekundär,- Tertiär,- Quartiärbehandlung) und integrierte Abwassermanagementpläne, abhängig von Siedlungsgröße und Risikobedarf. Diese Maßnahmen dienen dem Schutz der Gewässerqualität und sollen Verschmutzung in städtischem Abwasser minimieren.

Die Risikobewertung muss dabei alle sechs Jahre im Sinne ihrer Wirksamkeit überprüft werden. Die Ergebnisse dieser Überprüfung müssen der Europäischen Kommission gemeldet werden und sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Zentrales Ziel des Artikels ist, die Wasserqualität und den Umweltschutz in städtischen Gebieten zu gewährleisten.

 

Ausblick in die Zukunft

Die neue kommunale Abwasserrichtlinie muss spätestens 30 Monate nach Inkrafttreten in nationales Recht umgesetzt werden. In diesem Prozess wird eine Beteiligung aller Kläranlagenbetreibern entscheidend sein, um technische und finanzielle Umsetzungsvorgaben zu ermöglichen. Zusätzlich ist ein konstanter Blick auf die delegierten und implementierten Rechtsakte dieser Verordnung von hoher Bedeutung. Diese sind ein mächtiges Instrument der Europäischen Kommission, denn die Mitbestimmungs- und Kontrollrechte des Europäischen Parlaments und des Rates sind begrenzt und das Verfahren ist nicht ausreichend transparent.